Seit Jahren prangert die Friedensgemeinde von San José de Apartadó öffentlich die Aktivitäten der (neo)paramilitärischen Gruppe AGC oder Clan de Golfo in der Serranía de Abibé an.

Die Serranía de Abibé ist eine der artenreichsten Regionen im Nordwesten Kolumbiens, reich an natürlichen Wasserquellen, gespeist aus den fruchtbaren Bergen der Region. Im Jahr 2023 wurde über eine verstärkte Präsenz der AGC und die „erzwungene Beteiligung“ der Zivilgesellschaft berichtet, insbesondere in den Dörfern Mulatos und Resbalosa, wo die Friedensgemeinde kollektive landwirtschaftliche Flächen besitzt. Die jüngsten Morddrohungen gegen Ratsmitglieder der Friedensgemeinde von San José de Apartadó und insbesondere gegen den Arbeitskoordinator in La Resbalosa haben angesichts der Präsenz und Kontrolle (neo-)paramilitärischer Gruppen entlang der Wege, die zu den kollektiven Ländereien führen, Besorgnis ausgelöst. Die Friedensgemeinde veröffentlichte einen Bericht über die Situation , der HIER gelesen werden kann. Um die Situation besser verstehen zu können, haben wir mit Mitgliedern der Friedensgemeinde gesprochen, die in La Resbalosa leben.
Die Fahne des Versöhnungsbundes hängt, die Hühner schlafen und der Ofen ist an. Ein sanfter Wind weht durch die Serranía de Abibé, wo sich die Friedensgemeinde San José de Apartadó im Nordwesten Kolumbiens befindet. Während unserer Begleitung befragten wir ein Mitglied der Friedensgemeinde von San José de Apartadó über La Resbalosa, in der Hoffnung, ein tieferes Verständnis für die Region, ihre Bedeutung und die jüngsten Bedrohungen, die das Gebiet heimgesucht haben, zu bekommen.

La Resbalosa ist ein kleines Dorf zwischen Córdoba und Antioquia, etwa 6 bis 7 Stunden vom Stadtgebiet von San José de Apartadó, Antioquia, entfernt. In Richtung Córdoba ist die nächstgelegenen Stadt Frasquillo. Sie ist in 7 Stunden auf einem Maultierpfad erreichbar. Es ist eines der abgelegensten Dörfer in der Friedensgemeinde.
Wie kam die Gemeinde nach La Resbalosa?
Die Friedensgemeinde kam schon vor vielen Jahren nach La Resbalosa. Nach dem Massaker von 2005 begannen sie, La Resbalosa regelmäßig zu besuchen. Die dort lebenden Menschen, die ihre Höfe in La Resbalosa hatten und nur arbeiteten, wenn sie sie betreten konnten, waren sehr verängstigt, denn es gab viele Drohungen und viele Fälle des Verschwindenlassens. Auf dieser Farm, La Cabaña, auf der wir unser Interview führen, verübten die Paramilitärs zusammen mit dem Militär im Jahr 2005 ein Massaker.
Vor dem Massaker lebten viele Mitglieder der Gemeinde in La Resbalosa. Luis Eduardo Guerra und andere kamen vor dem Massaker und lebten auf ihren Höfen. Nach dem Massaker kehrten sie in das Stadtgebiet von San José zurück. Zu dieser Zeit war A. Bolívar der Koordinator der humanitären Zone von La Resbalosa. In den Dörfern gab es Organisationsräume für die Anwohner:innen. Nicht alle Teilnehmenden gehörten der Friedensgemeinde an, aber sie waren Teil der humanitären Zonen, in denen es ein Haus, einen Kiosk und auch einen Zufluchtsort für den Fall eines Kampfes gab. Es gab viele Kämpfe, Zusammenstöße zwischen Paramilitärs, der Armee und Guerillas. A. Bolívar wurde bei dem Massaker von La Resbolasa im Jahr 2005 auf seinem Hof getötet.
Erst Jahre nach dem Massaker gelang es der Gemeinde, La Cabaña als Gemeindefarm zu erwerben. Nach dem Kauf der Farm war die Gemeinde immer präsenter. Heute gibt es mehrere Orte in La Resbalosa, an denen Mitglieder der Gemeinde präsent sind, sowie mehrere kollektive Räume.
Welche Räume gibt es und welche Aktivitäten werden dort ausgeübt?
Wir haben diese Farm, La Cabaña, die eigentlich in Córdoba liegt, da wir direkt an der Grenze zwischen Córdoba und Antioquia sind. Außerdem gibt es noch den Hof Villa Nueva und den Hof La Roblera. Auf diesen Bauernhöfen, insbesondere auf Villa Nueva, führen wir mit der Gemeinde Gemeindearbeiten durch, einschließlich des Anbaus von Feldfrüchten wie Mais und Bohnen, und wir halten Vieh zur Selbstversorgung und um Einkommen zu generieren. Die Friedensgemeinde hat auch eine Familie, die in La Roblera lebt. Dort gibt es Weiden mit Rindern und Mais- und Bohnenanbau. Hier in La Cabaña haben wir auch eine Kakaoplantage, sowie Mais, Reis, Bohnen, Maniok und Zuckerrohr. Wir haben auch einen Raum, um das Zuckerrohr zu mahlen, und füllen fast alle 15 Tage Honig für die Familien ab. Die meiste Arbeit haben wir jeden Tag mit dem Anbau von Nahrungsmitteln. Da wir viele Tiere haben, pflanzen wir genug Mais an, um sie zu ernähren.
Sie sprachen von der Schaffung von Fonds, wie funktioniert das?
Wir haben auf unseren Farmen Platz für einige Kühe, die der gesamten Friedensgemeinde zugute kommen. Wir nennen sie „Fonds“, weil sie für neue Dinge verwendet werden. Wenn zum Beispiel jemand krank wird, kann man ein Tier verkaufen, um die Kosten für die Behandlung zu decken. Sie werden auch zur Unterstützung der Farmen selbst verwendet, um Zäune zu errichten, Weiden zu pflanzen, Häuser zu organisieren, Werkzeuge zu kaufen, usw. Der Rinderfonds wird kollektiv verwaltet. In Mulatos und La Resbalosa gemeinsam haben wir einen Rinderfonds, der etwa 17 Tiere umfasst.
Was bedeutet La Resbalosa für die Friedensgemeinde heute?
La Resbalosa ist ein Raum, in dem wir versuchen, unsere Präsenz nicht zu „verlieren“. In La Resbalosa haben wir darum gekämpft, die Präsenz der Friedensgemeinde aufrechtzuerhalten. Neben unseren Bauernhöfen ist es auch ein Ort der Erinnerung an das Massaker von 2005. Wegen dieser Erinnerung versuchen wir zu bleiben. Da es sich um ein Dorf handelt, in dem viele Lebensmittel produziert werden, ist eine unserer Ideen, Menschen zu ermutigen, die Räume zu nutzen, die die Friedensgemeinde hier hat.
Man darf nicht vergessen, dass die paramilitärische Präsenz in dieser Gegend derzeit sehr hoch ist. Diese Region – zwischen Córdoba und Antioquia – ist sehr wertvoll für die Friedensgemeinde. Wir versuchen, uns gegenseitig aufzumuntern. Wir, die wir in La Resbalosa und Mulatos, unserem nächsten Nachbarn, leben, versuchen, der Gewalt und den Drohungen zu widerstehen und das Land weiterhin gemeinsam zu bearbeiten.
Was sind die aktuellen Herausforderungen?
Die Herausforderung besteht darin, mit all den großen Problemen fertig zu werden, die wegen der Paramilitärs bestehen. Sie erlauben uns nicht, zu arbeiten oder zu pflanzen, weil wir als Gemeinde des Friedens bedroht sind. Wir stellen uns der Herausforderung und versuchen zu überleben und zu zeigen, dass die Friedensgemeinde immer mit einem alternativen Vorschlag da sein wird. Unser Ziel ist es, dies für zukünftige Generationen zu bewahren, auf diese Räume, die wir pflegen, zu achten, weil wir versuchen, sie für unsere Kinder zu bewahren. Damit sie, wenn sie erwachsen sind, sich weiterhin um dieses Land kümmern können. Es ist auch unser Ziel, die Regierung davon zu überzeugen, unser kollektives Land anzuerkennen und es im Namen der Friedensgemeinde zu formalisieren. Das ist eine unserer größten Herausforderungen.

Was bedeutet es für Sie, sich um eine Farm zu kümmern?
Es bedeutet, auf ihr zu leben, sie zu bearbeiten und alles anzubauen, was wir zum Überleben brauchen. Sie zu schützen bedeutet nicht nur, sich um sie zu kümmern, damit sie uns nicht weggenommen wird, sondern es ist eine Art zu überleben, denn wir brauchen die Erde zum Überleben. Wir bewohnen dieses Land, damit unsere Familien überleben und Nahrung haben können.
Unsere Farmen nehmen nur einen kleinen Teil des Landes hier ein. Wir haben Nahrungsmittel und einige Weiden für das Vieh, aber ein anderer Teil des Landes ist Dschungel, den die Gemeinde nicht beschädigen will. Wir haben Flächen zum Arbeiten und Flächen für das Reservat und saubere Gewässer ausgewiesen. Wir wollen diese Gebiete in Ruhe lassen, um die Luft und die Tiere zu schützen. Viele dieser Naturräume werden in der Region vernichtet, und die Tiere sterben oder wandern woanders hin, wie wir in letzter Zeit gesehen haben. Deshalb gibt es in den Wäldern, in denen wir leben, viele Tiere aller Art. Wir versuchen ihnen nicht zu schaden. Das ist ein weiteres wichtiges Ziel, das wir in La Resbalosa verfolgen: Wir kümmern uns um die Wälder für die Tiere, für das Wasser und letztendlich auch für uns, die Menschen.
Dieser Beitrag erschien ursprünglich am 11. Jänner 2024 in Englischer Sprache unter https://peacepresence.org/2024/01/11/all-about-la-resbalosa/