Aussaat – Es lebe Phanor…

Phanor Guazaquillo Peña, Indigener Menschenrechtsverteidiger des Amazonasgebietes

Phanor aufgebahrt im Versammlungshaus de Nasa
Phanor aufgebahrt im Versammlungshaus de Nasa

Wir befinden uns im Versammlungshaus der Nasa in der Amazonasstadt Puerto Asis, Putumayo, im Süden Kolumbiens. Eine große, von indigenen Autoritäten angeführte Karawane von Motorrädern, Chivas und Fußgänger:innen macht sich nach einer Reihe von Tänzen um ihren aufgebahrten Anführer Phanor auf zur Aussaat, wie sie die Bestattung bezeichnen.

Beginn der Karawane

Die immer größer werdende Karawane kommt langsam am Friedhof an. Wir passieren das Eingangstor. Drei Tage zuvor, am 3. Dezember nachmittags, verlässt Phanor mit seiner Lebensgefährtin den Friedhof durch dasselbe Tor. Sie hatten der Beerdigung des indigenen Siona Anführers Manuel Carlosama, der bei einem Verkehrsunfall unter ungeklärten Umständen ums Leben gekommen war, beigewohnt. Als sie ihr Motorrad erreichen wird Phanor aus nächster Nähe mehrmals angeschossen. Er stirbt wenig später in einem Leichenwagen, mit dem man versuchte ihn ins Spital zu bringen. Der Angreifer bedroht anwesende Passant:innen und verlässt mit einem Komplizen per Motorrad den Tatort.

Phanor bei der Eröffnung des Mutterhauses für den Frieden in Blanquita-Murrí, Frontino, Antioquia

Phanor Guazaquillo Peña war 45 Jahre alt, Vater von vier Kindern, Anführer und Autorität der Nasa-Gemeinschaft von Putumayo und derzeitige höchste Autorität der indigenen Nasa Gemeinde Kwésx Kiwe – Unser Land in Puerto Asís. Er war nationaler Sprecher der Hohen Sonderinstanz für ethnische Gemeinschaften (IEANPE) und gehörte dem Vorstand der Organisation Friedensaufbauende Gemeinden Kolumbiens (CONPAZCOL) an. Phanor war Mitglied der Nationalen Ethnischen Koordination für den Frieden CENPAZ, wo er während des Friedensabkommens in La Havanna an der Ausarbeitung des Ethnischen Kapitels beteiligt war. Außerdem war er Mitglied des Bezirksrats von Puerto Asís.

Seit Jahren beklagen verschiedenste Menschenrechtsgruppen, indigene Nasa und Siona, Kleinbäuerinnen und Kleinbauern die prekäre Situation der Bevölkerung von Putumayo. Durch wirtschaftliche Interessen wie Ölförderung, Kokaanbau und -transport, Holzgewinnung und das damit verbundene Auftreten bewaffneter Gruppen sind die Gemeinden des Amazonasgebiets mit der Spaltung ihrer Organisationsprozesse, Vertreibung, Landkonflikten, Gewalt gegen sie und ihre Anführer:innen und Umweltschäden in ihren Gebieten konfrontiert. Gleichzeitig verschlechtert sich die soziale und wirtschaftliche Lage Hunderter von Familien kontinuierlich.

Am Friedhof während der Bestattung von Phanor

Kolumbien wird von Global Witness als das gefährlichste Land für Umweltschützer:innen weltweit eingestuft, 2022 wurden mindestens 6o getötet. Phanor war einer von ihnen. Er hat sich, gemeinsam mit seiner Indigenen Nasa Gemeinde Kes´x Kiwe (Unser Land), wie so viele Indigenengemeinden zum Ziel gesetzt, Unser Land für die Menschheit zu schützen und sich gegen seine Zerstörung einzusetzen.

Phanor mit einer indigenen Wache der Embera Eyábida

Während der Aussaat (Bestattung) wird erzählt, dass er auch am Tag seines Todes mit  seinem Befehlsstab und der Jacke der indigene Wache seiner Gemeinde, Kes’x Kiwe (Unser Land), ausgestattet war. So kannte man Phanor in Putumayo, in der Pazifikregion, in Antioquia, in Bogotá, wo auch immer er sich für Menschen-, Land- und Umweltrechte einsetzte. Er war ein Ausbildner, Ratgeber, ja Aushängeschild für viele indigene Wachen, einem gemeinschaftlichen Schutzkonzept für und von Menschen, das auf Respekt und einem Guten Leben für Alle basiert. Hunderte von Trauernden, die trotz der prekären Sicherheitslage zur „Aussaat“ kamen,  machen klar, dass sie alles tun werden, damit die Saat aufgeht, dass sie sein Erbe annehmen und sich für ihre Rechte, für ihr Land, für unser aller Umwelt einsetzen werden, was auch immer es koste.

Friedensfachkraft vom österreichischen Versöhnungsbund bei einem Reinigungsritual mit Phanor

Wir haben Phanor als Vorbild und Lehrmeister vor allem für indigene Wachen der Embera Eyábida in Blanquita-Murrí, Frontino, kennengelernt. Die Embera Eyábida von Blanquita-Murrí leben hauptsächlich einem weitfläufigen Waldgebiet, das massiv von Gold- und Kupferabbau bedroht ist.  Die Embera Eyábida von Blanquita-Murrí sind im interethnischen Rundtisches des Friedens von Blanquita-Murrí, den wir seit 2019 begleiten, vertreten. Mit Phanor und anderen Begleitorganisationen arbeiteten sie an der Idee einer interetnischen Wache.

Wird der Samen aufgehen? Wir hoffen mit unserem Begleitprojekt in Kolumbien  ein bisschen dazu beitragen zu können.