Von einer Kriegskultur zu einer Kultur der Gewaltfreiheit
Krieg macht Spaß. Das habe ich vor zwei Tagen im Frühstücksfernsehen des ORF gelernt. Ein junger Major erzählt, was es allen geben wird anlässlich 70 Jahre BH – Schweres Gerät ist schon eingefahren, der Leopard als Katze getarnt, der Dingo, die Sandviper, der Black Hawk. Dem Euphemismus sind keine Grenzen gesetzt. Es wird an 4 Standorten Mitmachstationen geben, ein Kinderbuch, einen Cyber-Escaperoom, ein Modell des Eurofighter zum Hineinsetzen. Und nicht zu vergessen der militärische Fitness- Parkour für die ganze Familie – wie gesagt, Spaß ohne Ende.

Krieg ist nicht spaßig. Was wohl die Menschen empfinden, die in der Ukraine in einem realen Escape-Room sitzen, in einer U-Bahn-Station oder in einem Keller in der Hoffnung, nicht verschüttet zu werden. Die Menschen im Gaza sind fit genug – unzählige Male sind sie hin- und her, auf- und abgelaufen in der Hoffnung, den Bomben zu entkommen. Die Wette gilt für Flüchtlinge am Ufer des Mittelmeers – wird das Boot halten oder werden sie ertrinken. Zu gewinnen gibt es vielleicht – aber nur vielleicht – einen sicheren Platz in Europa.
Das 21. Jahrhundert hat eigentlich mit einer Dekade für eine Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit zugunsten der Kinder dieser Welt, einstimmig ausgerufen von der UNO-Generalversammlung, begonnen. Was ist das Fazit? Die Zahl der Kriege hat während der letzten 25 Jahren signifikant zugenommen, 2002 zählte das UN-Flüchtlingshochkommissariat 12 Millionen Kriegsflüchtlinge, im Juni 2024 wurden 122 Millionen Flüchtlinge gezählt – also 10mal so viel.
Die Resolution für die Dekade ist immer noch hoch aktuell. Das steht z. B.: Die Entfaltung einer Kultur des Friedens ist untrennbar verknüpft mit der Befähigung von Menschen auf allen Ebenen, Fähigkeiten auf dem Gebiet des Dialogs, der Verhandlung, der Konsensbildung und der friedlichen Beilegung von Meinungsverschiedenheiten zu entwickeln; betont wird auch die Stärkung der demokratischen Institutionen und die Gewährleistung der vollen Teilhabe am Entwicklungsprozess.
Nach einem Vierteljahrhundert werden viele dieser Ansätze wieder rückabgewickelt.
Es ist nicht einfach angesichts der vorherrschenden Kriegsrhetorik (kriegstüchtig werden etc.), Schritte hin zu einer Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit zu skizzieren. Als ein paar wesentliche Punkte für uns als zivilgesellschaftliche Organisationen erscheinen mir:
- Der Widerstand gegen das Aufrüstungsprogramm der EU und Österreichs sollten besser vernetzt werden. Ein Aufrüstungsprogramm der Europäischen Union braucht eine Antwort der Zivilgesellschaft der EU.
- Wir müssen uns aber auch unangenehmen Fragen stellen: Warum üben Krieg und Waffen so eine Faszination aus. Immerhin verzeichnen die Leistungsschauen des Bundesheeres Besucherzahlen von über 700.000 Menschen. Und warum gibt es trotz Teuerung und massiver Einschnitte im Sozialsystem so wenig Widerstand gegen die Aufrüstungspläne der Regierung? Die Kriegsangst ist geschürt und Feindbilder haben sich verfestigt.
- Das Aufzeigen von anderen Konfliktlösungsmechanismen ist in diesem Zusammenhang besonders wichtig, insbesondere ist es notwendig, den Fokus vom „Feind“ auf die Lösung des Konflikts zu verschieben, damit sich neue Handlungsspielräume eröffnen.
- Wir sollten diejenigen zu Wort kommen lassen und von ihnen lernen, die Krieg erfahren haben und diejenigen besser unterstützen, die den Krieg verweigern. Das heißt einerseits, dass wir uns dafür einsetzen, dass Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren selbstverständlich in der EU Schutz gewährt wird. Das heißt auf der anderen Seite, dass wir koloniale Denkstrukturen aufdecken und abbauen. Auch als Zivilgesellschaft sollten wir weltweit viel engere Netze knüpfen und aus den weltweiten Erfahrungen im Widerstand gegen Krieg lernen.
- Der letzte Punkt betrifft die Teilhabe. Friede ist immer eine Sache der Menschen und nicht der Regierungen – wir sind es ja auch, die den Preis des Krieges bezahlen. Als Versöhnungsbund verstehen wir Frieden im positiven Sinn – als Abwesenheit von Gewaltstrukturen. Deshalb fördern wir eine aktive Friedenspolitik und sprechen uns dagegen aus, dass die Verteidigung der Neutralität mit allen zu Gebote stehenden Mitteln auch militärische Mittel umfasst. Militärische Mittel beruhen auf einer uralten, zutiefst patriarchal geprägten Gewalt- und Kriegskultur. Alle zu Gebote stehenden Mittel könnten sich ebenso gut – oder eben viel besser – an den Menschenrechten, der individuellen menschlichen Sicherheit, den Notwendigkeiten für eine lebenswerte Zukunft und humanistischen Zugängen – kurz: an der Gewaltfreiheit – orientieren.
- Teilhabe heißt auch, auf diejenigen zu hören, die die Folgen der derzeitigen Aufrüstungs- und Kriegspolitik ausbaden müssen. Im Sinne der vorher erwähnten Resolution für eine Kultur des Friedens zugunsten der Kinder könnte der 26. Oktober dazu genutzt werden, Kindern und Jugendlichen ein Forum zu bieten, wie sie ihre Zukunft gestalten möchten und was sie brauchen, um sich sicher zu fühlen.
- Und last not least müssen wir darauf bestehen, dass die Regierungen endlich ernstnehmen, was sie unterzeichnet haben. Nicht die Kriegstüchtigkeit wurde in der UNESCO Verfassung unterzeichnet, sondern die Verankerung des Friedens im Geiste des Menschen. Dazu brauchen wir keine BH-Leistungsschau, sondern eine Galerie von Methoden des Friedensaufbaus.
Beitrag von Irmgard Ehrenberger vom Versöhnungsbund
beim Panel „Friedenspolitik“ auf der Konferenz „Neutralitätspolitik für Frieden“ am 24.10.2025
Einen ausführlichen Bericht zur Veranstaltung mit Bildern und Beträgen gibt es
auf der Website von AbFaNG
