Nach Angaben des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) gibt es in Kolumbien derzeit sechs verschiedene bewaffnete Konflikte. In vielen Regionen sind zusätzlich kriminelle bewaffnete Gruppen aktiv. Der jahrzehntelange Konflikt hinterlässt bis jetzt ca. 8,8 Millionen Kriegsbetroffene. In den vergangenen 50 Jahren fanden mehrere bilaterale Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und verschiedenen Guerillagruppen statt, und vor fast 20 Jahren gab es einen Demobilisierungsprozess von Paramilitärs. Im Jahr 2016 wurden bilaterale Friedensabkommen mit der damals größten kolumbianischen Guerillagruppe FARC-EP unterzeichnet und tausende Kämpfer*innen legten ihre Waffen nieder.
Sechs Jahre später sind die meisten Zivilist*innen, die in den jahrzehntelangen Konflikten oft zu Opfern gemacht und an den gesellschaftlich Rand gedrängt wurden, ähnlichen oder neuen Gewaltmustern ausgesetzt. Die Zahl der Morde an Menschenrechtsverteidiger*innen ist erschreckend hoch. In diesem Jahr wurden insgesamt bereits 171 Menschenrechtsverteidiger*innen getötet (14 mehr als im Vorjahr zur gleichen Zeit).
Vielerorts hat sich eine bewaffnete Gruppe zurückgezogen, aber eine andere versuchte oder versucht, die Kontrolle zu übernehmen. In anderen Regionen kamen bilaterale Friedensabkommen einfach nicht zum Tragen, da die vorherrschende bewaffnete Gruppe einfach nicht diejenige war, die verhandelte.
„Es ziehen keine Farc-Guerilleros mehr durch unsere Gegend, sondern nur noch Militärs und Paramilitärs.“, beschreibt ein Mitglied der Friedensgemeinde von San José de Apartadó die Situation nach 2016.
„Als ich in Casanare war [nach dem Friedensabkommen mit der FARC-EP], sagten mir die Opferorganisationen: ‚Ok, sehr interessant, aber … wann werden sie mit der ELN unterschreiben? Denn sie ist das Problem, mit dem wir hier zu kämpfen haben.‘“ erinnert sich die Direktorin der Einheit für die Suche nach Vermissten (UBPD), Luz Marina Monzón.
Diese Erfahrungen sind weder neu noch unerwartet, wenn man die bilateralen Verhandlungen mit einer einzigen bewaffneten Gruppe in einem multilateralen Konflikt sowie die bisher fehlende Umsetzung des letzten Friedensabkommens bedenkt.
Der Grundgedanke der Kampagne des neu gewählten Präsidenten war immer ein Frieden mit vielen Facetten: ein Frieden, der auf sozialer Gerechtigkeit basiert, ein sozialer Frieden, ein ökologischer Frieden, ein Frieden, der die unterschiedlichen Ausprägungen der Gewalt in den verschiedenen Regionen Kolumbiens berücksichtigt und sich auf die Rechte der Opfer konzentriert. Die gleichzeitige Verhandlung, beziehungsweise der Dialog mit verschiedenen bewaffneten Gruppen in unterschiedlichen Formen ist ein wesentliches Element der Kultur oder des Konzepts des „totalen Friedens“.
In den letzten Wochen wurden wichtige Schritte in Richtung Friedensverhandlungen beziehungsweise Dialoge zwischen der Regierung und verschiedenen bewaffneten Gruppen unternommen, darunter FARC-Dissidentengruppen, paramilitärische Nachfolgegruppen und die ELN, die inzwischen größte kolumbianischen Guerillagruppe. Am 21. November begannen die ersten offiziellen Gespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der ELN in Caracas, Venezuela.
Darüber hinaus haben mindestens 23 illegale bewaffnete Gruppen ihr Interesse an Friedensgesprächen bekundet.
Sozialer Dialog und eine partizipative, inkludierende, kollektive Gestaltung des nationalen Entwicklungsplans – sozusagen das Kursbuch für diese Regierungsperiode – sind ebenfalls Teil des umfassenden Friedensplans. Die dem Plan zugrundeliegenden transversalen Leitlinien zielen darauf ab, Opfer und marginalisierte Regionen und Bevölkerungsgruppen in den Mittelpunkt der Gestaltung eines solchen Friedens zu stellen und die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Die Straflosigkeit in Kolumbien, insbesondere bei Verbrechen gegen Menschenrechts- und Umweltaktivist*innen sowie Journalist*innen, ist sehr hoch. Viele fortschrittliche Ansätze und Rechte existieren zwar auf dem Papier, sind aber für die meisten Kolumbianer*innen fast nie erfüllt worden.
Viele Menschenrechtsverteidiger*innen halten den Friedensplan der neuen Regierung, der einen Paradigmenwechsel im Sicherheitsdenken darstellt, für zu ehrgeizig, und der totale Frieden ist ein Begriff, der für viele wie eine Utopie, wie ein Traum klingt.
„Es ist ein Traum. Den totalen Frieden gibt es nicht, nirgendwo auf der Welt und schon gar nicht in Kolumbien. Aber eine Gesellschaft braucht Träume. Der Traum von Petro ist die Befriedung eines Landes. Millionen Kolumbianer*innen teilen diesen Traum. In vier Jahren wird Petro es nicht schaffen. Er kann die Weichen stellen, er kann einen echten Friedensprozess einleiten“, meint ein Mitglied der Friedensgemeinde San José de Apartadó
Unterdessen zeigten sich die Vereinten Nationen begeistert von der Haltung der neuen Regierung:
„Ich begrüße die Bereitschaft der Regierung, einen neuen Ansatz für die menschliche Sicherheit zu wählen, der genau darauf abzielt, den integralen Einsatz des Staates und das Vertrauen der Öffentlichkeit in die zivilen Institutionen und die Sicherheitskräfte zu stärken und die Ursachen der Gewalt schrittweise zu beseitigen“, bekundete der Repräsentant der Vereinten Nationen in Kolumbien, Carlos Ruiz Massieu.
Wie im so genannten Gesetz für den totalen Frieden, das kürzlich von Präsident Gustavo Petro niedergeschrieben wurde, ist die Politik des totalen Friedens ein spezifisches Konzept der menschlichen Sicherheit.
Die menschliche Sicherheit ist keine Erfindung des neuen kolumbianischen Präsidenten oder seiner Mitstreiter*innen. Ursprünglich wurde das Konzept der menschlichen Sicherheit 1994 als Konzept für ein Leben der Menschheit frei von Not, frei von Angst und frei von Demütigung durch Selbstermächtigung und Schutz eingeführt. Im Jahr 2012 hat die UN-Generalversammlung einen Konsens über menschliche Sicherheit erzielt als „das Recht der Menschen auf ein Leben in Freiheit und Würde, frei von Armut und Verzweiflung. Alle Menschen, insbesondere diejenigen, die gefährdet sind, haben ein Recht auf Freiheit von Furcht und auf Freiheit von Not, mit der gleichen Chance, alle ihre Rechte zu genießen und ihr menschliches Potenzial voll zu entfalten.“
Die ursprüngliche Idee der menschlichen Sicherheit ist eine Sicherheit der Menschen, oder besser gesagt der Menschheit, die durch nichtmilitärische, gewaltfreie Maßnahmen geschaffen wird und nicht auf die Sicherung eines nationalen Territoriums ausgerichtet ist. Die Berufung von Danilo Rueda zum kolumbianischen Hochkommissar für Frieden lässt hoffen, dass dieser nicht-militärische, gewaltfreie Aspekt bei der Umsetzung im Vordergrund stehen wird. Danilo Rueda hat in der Vergangenheit viele gewaltfreie Widerstandsprozesse an der Basis, Opferorganisationen und die Einrichtung humanitärer Zonen in bewaffneten Konfliktregionen begleitet. Während seiner Arbeit als Menschenrechtsverteidiger wurde er selbst mehrfach bedroht, sogar mit dem Tod. Teile des totalen Friedensplans bauen auf seiner früheren Arbeit mit Opferorganisationen auf.
In Sinne der menschlichen Sicherheit durch ziviles, nicht-militärisches Handeln hat das Gesetz für den totalen Frieden auch die Rahmenbedingungen für einen einjährigen Sozialdienst für den Frieden geschaffen, der eine Alternative zum obligatorischen Militärdienst darstellt. Er soll ähnliche Anerkennungen und Leistungen, z. B. Einkommen und Versicherung, wie der Militärdienst bieten. Der Dienst soll aus Aktivitäten bestehen, die der Unterstützung von Opfern und der Stärkung des Friedens, insbesondere in kriegsgebeutelten, marginalisierten Gemeinschaften, dienen, wie z.B. Alphabetisierungsprogramme, Betreuung von Opfern sexueller Gewalt, sowie Dienste für den Umweltschutz. Solche Alternativen werden von der Zivilgesellschaft seit vielen Jahren gefordert, und der gesetzliche Rahmen wurde mit beeindruckender Geschwindigkeit gelegt. Antimilitaristische und Menschenrechtsorganisationen, die sich der gewaltfreien Aktion verschrieben haben, beklagen jedoch das fehlendes Mitspracherecht und fehlende Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Planung des zukünftigen Sozialen Friedensdienstes.
Die Umsetzung des Friedensabkommens von 2016 wird mit dem Gesetz bestätigt, und zusätzliche „Regionen für den Frieden“, d. h. Gebiete, die stark von bewaffneten Konflikten betroffen sind, sollen für Entwicklungsinvestitionen priorisiert werden. Diese Investitionen sollen sich an den Vorschlägen der lokalen Bevölkerung orientieren. Um eine breite Beteiligung an der Gestaltung des nationalen Entwicklungsplans – dem Kursbuch der Regierung – zu gewährleisten, werden landesweit verbindliche regionale Dialoge mit der Zivilgesellschaft durchgeführt.
Am 24. November nahm eine von uns begleitete Organisation, der Interethnische Rundtisch für den Frieden von Blanquita-Murrí, an einem dieser Dialoge teil.
Dennoch wird eine echte Mitsprache aller Bürger:innen eine große Herausforderung für Kolumbien sein, wenn man die jahrzehntelange Klientelpolitik und die Präsenz bewaffneter Gruppen berücksichtigt. Die Regierung muss sich also zunächst das Vertrauen der kolumbianischen Bevölkerung verdienen, deren Grundrechte von den vorangegangenen Regierungen schon so lange verletzt worden sind. Beispiele dafür sind der Parapolitik-Skandal, der die Kollaboration zwischen kolumbianischen Politiker*innen und paramilitärischen Gruppen aufzeigte, die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im ganzen Land, oder auch die Unterlassung des so notwendigen Schutzes der Zivilbevölkerung durch die kolumbianischen Streitkräfte.
Die Friedensgemeinschaft von San José de Apartadó dokumentiert und veröffentlicht solche Menschenrechtsverletzungen seit mehr als 25 Jahren, aber fast alle Verbrechen, die auch von den kolumbianischen Streitkräften begangen wurden, sind bis heute weder aufgeklärt noch geahndet worden. Im Gegenteil, Beiträge der Opfer zu staatlichen Ermittlungen, wie Aussagen von Zeug*innen, führen oft zu deren Verfolgung oder sogar Ermordung. Dies hat die Friedensgemeinschaft im Jahr 2005 zu der gewaltfreien Schutzstrategie der Nicht-Zusammenarbeit mit dem kolumbianischen Staat, vor allem mit der kolumbianischen Justiz, bewegt. Die Friedensgemeinschaft fordert vier Punkte, die von der Regierung erfüllt werden müssen, bevor sie wieder mit staatlichen Stellen, vor allem der staatlichen Justiz, zusammenarbeitet. Die Forderungen konzentrieren sich auf die Schaffung von Bedingungen der Gerechtigkeit und der Nicht-Wiederholung von Menschenrechtsverletzung für die Friedensgemeindemitglieder und die gesamte Region – eine weithin anerkannte Grundvoraussetzung für einen dauerhaften und nachhaltigen Frieden.
Der erste, informelle Besuch des neuen Verteidigungsministers Ivan Velasquez und des Hochkommissars für Frieden in der Friedensgemeinde, aber vor allem die darauf folgenden Handlungen der Regierung, könnten ein wichtiger Indikator für die tatsächliche Beteiligung der Opfer der bewaffneten Konflikte an der Schaffung eines dauerhaften Friedens und menschlicher Sicherheit sein.
Es ist kein Zufall, dass Ivan Velasquez für eine Basisgemeinde, die trotz Straflosigkeit und Drohungen paramilitärischer Kräfte gewaltlosen Widerstand leistet und Menschenrechtsverletzungen immer wieder öffentlich angeprangert, von Bedeutung ist. Zwischen 2006 und 2012 koordinierte er die Kommission, die für die Untersuchung des Parapolitikskandals zuständig war, und 2013 wurde er zum Kommissar der Internationalen Kommission gegen Straflosigkeit in Guatemala (CICIG) ernannt. Im Jahr 2015 brachte die CICIG den damaligen Präsidenten Otto Pérez Molina durch ihre Ermittlungen gegen ein kriminelles Netzwerk im Staatsapparat zu Fall. In den ersten Monaten von Ivan Velasquez an der Spitze des kolumbianischen Verteidigungsministeriums wurden zahlreiche Polizei- und Militärkommandeure gegen Kommandeure ausgetauscht, denen bis jetzt keine Menschenrechtsverletzungen oder Korruption vorgeworfen werden. Könnte dies dazu beitragen, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierungsinstitutionen insgesamt zu stärken?
Das Vertrauen der Öffentlichkeit und das damit verbundene Sicherheitsgefühl werden weltweit zu einem immer dringlicheren Thema. In den letzten Jahren führte die Diskrepanz zwischen einem allgemeinen Anstieg des Human Development Index, vereinfacht gesagt ‚ mehr Wohlstand und mehr Gesundheit‘, und dem Rückgang des Sicherheitsgefühls zu einer Aktualisierung des UN-Konzepts der menschlichen Sicherheit (https://hs.hdr.undp.org/pdf/srhs2022.pdf). Solidarität und die Förderung der Selbstbestimmung der Bürger*innen der ganzen Welt wurden den bereits vorhandenen Strategien wie Mitgestaltungsmöglichkeiten von Nichtregierungsorganisationen, Regierungen und UN-Organisationen, Selbstermächtigung und Schutz der Bevölkerung hinzugefügt.
Einerseits wird eine breite Beteiligung eine enorme Herausforderung für die kolumbianische Regierung darstellen und einen grundlegenden Wandel von Klientelismus und Zusammenarbeit mit bewaffneten Gruppen hin zu Solidarität und Respekt zwischen den Menschen und funktionierenden staatlichen Institutionen erfordern. Der Erfolg wird aber auch weitgehend davon abhängen, wie es gelingt, die verschiedenen politischen und auch bewaffneten Sektoren der kolumbianischen Bevölkerung mit ins Boot zu holen.
Andererseits ist der Wandel hin zu einer auf die menschliche Sicherheit ausgerichteten staatlichen Politik eine globale Angelegenheit, und globale Interessen spielen eine Schlüsselrolle im kolumbianischen „internen“ Konflikt. Die Bemühungen um Frieden brauchen daher die Unterstützung der internationalen Politik und globale Solidarität. Um den „totalen Frieden“ so weit wie möglich zu verwirklichen, bedarf es nicht nur der Unterstützung und Bereitschaft der Kolumbianer*innen und ihrer Regierung, sondern auch der internationalen Gemeinschaft – und zwar auf vielen Ebenen: von den internationalen Beziehungen über die Unterstützung und den gewaltfreien Schutz der Opfer bis hin zu den Organisationen an der Basis, die sich gewaltfrei für den Frieden einsetzen, beziehungsweise bereits lokale Friedensmodelle leben und deren Erfahrungen berücksichtigt werden sollten.
„Solidarisches Handeln inkorporiert, dass menschliche Sicherheit im Anthropozän über die Sicherung von Individuen und ihren Gemeinschaften hinausgehen muss, um systematisch die gegenseitige Abhängigkeit aller Menschen und zwischen Menschen und dem Planeten zu berücksichtigen.“ , UNDP-Bericht 2022, S.141
Die Drogenpolitik ist nur eines von vielen Beispielen globaler Abhängigkeiten, die im kolumbianischen Konflikt eine zentrale Rolle spielen. Trotz des jahrelangen militärischen Krieges gegen die Drogen auf kolumbianischem Boden und in Zusammenarbeit mit der US-Armee meldeten die Vereinten Nationen in diesem Jahr die größte Koka-Anbaufläche in Kolumbien seit Beginn ihrer Aufzeichnungen. Zusammen mit einem möglichen Abrüsten der mit dem Drogenhandel verbundenen paramilitärischen Gruppen (so genannte narcoparamilitares) könnten eine ehrgeizige Landreform und die Anerkennung der Kleinbauern und -bäuerinnen als politisches Subjekt neue Wege zur Bekämpfung des Drogenhandels eröffnen. Der Drogenhandel ist jedoch ein transnationales Geschäft, sodass der Umgang mit den in Kolumbien operierenden transnationalen kriminellen Strukturen ein entscheidendes Thema sein wird. Vor allem wenn einige bewaffnete Gruppen aufgelöst werden, entstehen neue Machtvakua, wie sie in Kolumbien schon nach verschiedenen Demobilisierungen zu beobachten waren. Diesmal könnten transnationale oder internationale kriminelle Strukturen mit Hauptsitzen beispielsweise in Mexiko, Italien, Russland und Venezuela das Vakuum füllen, und Kolumbien könnte in einen neuen Kreislauf der Gewalt geraten.
Der Klimawandel, die Rohstoffindustrie und die globale Wirtschaft sind eng miteinander verknüpfte transnationale Themen. Präsident Petro verkündete einen konsequenten Umstieg von fossilen Brennstoffen – Kolumbien ist das Land Lateinamerikas mit den größten Kohleexporten – zu wichtigen Mineralien für die Umwandlung erneuerbarer Energien, wie Kupfer, Nickel oder Seltene Erden. Ihre Nachfrage wird voraussichtlich in den nächsten Jahren vor allem in den Industriestaaten erheblich steigen – und Kolumbien braucht Geld. Im Jahr 2022 verzeichnete Kolumbien das höchste Haushaltsdefizit der letzten Jahre, und die Auslandsschulden machten die Hälfte des BIP des Landes aus. Illegaler Bergbau, Menschenrechtsverletzungen und Umweltschäden im Zusammenhang mit transnationalen mineralgewinnenden und -handelnden Tätigkeiten müssen Gegenstand internationaler Besorgnis, Verantwortung und Rechenschaftspflicht sein. Das Gleiche gilt für den Schutz von Naturschutzgebieten wie dem Amazonas.
„Ich schlage der Menschheit vor, Auslandsschulden gegen interne Ausgaben einzutauschen, um unsere Dschungel, Wälder und Feuchtgebiete zu retten“, meintePräsident Petro in seiner Rede bei der Internationalen Klimakonferenz in Ägypten.
Nach etwas mehr als 100 Tagen wurde das wichtigste Gesetz für eine umfassende Friedenspolitik verabschiedet, regionale Dialoge zur Ausarbeitung des nationalen Entwicklungsplans werden abgehalten, Friedensgespräche mit der derzeit größten kolumbianischen Guerillagruppe ELN wurden aufgenommen und die diplomatischen Beziehungen zu Venezuela wurden wiederhergestellt. Dies sind jedoch nur die ersten Schritte, denn die Gewalt ist bisher nicht signifikant zurückgegangen.
“Die Regierung verfolgt offensichtlich gute Absichten. Sie wird allerdings nicht viel Zeit haben, sondern nur vier Jahre. Eine Wiederwahl von Petro ist durch die Verfassung ausgeschlossen. Allerdings kann die Regierung die Grundlage für ein anderes Kolumbien schaffen. Besorgniserregend ist bisher allerdings, dass wir nur einen Friedensprozess von oben erleben, der in den Regionen noch nicht angekommen ist. Dann geht alles weiter, wie gehabt.” Mitglied der Friedensgemeinde von San José de Apartadó.
„Totaler Frieden ist ein großes Wort und wir wissen, dass es nicht einfach sein wird, aber wir spüren eine große Sehnsucht danach, wir sind optimistisch“, sagt ein 74-jähriger Menschenrechtsverteidiger und Kriegsopfer
Inwieweit die Regierung das von ihr verkündete Projekt des „totalen Friedens“ in einem von regionalem Klientelismus und von der Präsenz illegaler bewaffneter Gruppen dominierten Land umsetzen kann, wird die Zukunft weisen.
Michaela Söllinger