KOLUMBIEN: Zwei Wochen Begleitung in Mulatos

Von 17.-30. Mai 2025 begleitete FOR Austria Mitglieder der Friedensgemeinde San Jose de Apartado in der Aldea de Paz, dem “Friedensdorf” in Mulatos, einem von rund 30 veredas (Weiler), die zur Ortschaft San José de Apartadó gehören.

In Mulatos besitzen mehrere Familien bereits über Generationen hinweg Grundstücke, wodurch dieses private Land bei der Gründung der Comunidad de Paz 1997 Teil der Gemeinschaft wurde. Am 21. Februar 2005 kam es zum Massaker an acht Personen, darunter Luis Eduardo Guerra, einer Führungsperson der Friedensgemeinschaft, seiner Lebensgefährtin und seinem 11-jährigen Sohn  in Mulatos, sowie fünf weiteren Mitgliedern (darunter zwei Kinder) im ca. eine Stunde entfernten Weiler La Resbalosa, durch die paramilitärische Gruppe AUC (Autodefensas Unidas de Colombia). Daraufhin flohen die Menschen auch aus den umliegenden Weilern. Die Aldea de Paz wurde 2008 von Friedensgemeindemitgliedern gegründet, um wieder auf ihre Ländereien zurückkehren zu können. Einen weiteren Einschnitt stellten die Morde an Nalleli Sepulveda und Edinson David im März 2024 in La Esperanza, ebenfalls gut eine Stunde von Mulatos entfernt, dar, die zur neuerlichen Vertreibung führten. Seither bestimmen Drohungen, Unsicherheit und ein Klima der Angst den Alltag, sodass eine Präsenz in Mulatos derzeit nur in größeren Gruppen und mit internationaler Begleitung möglich ist.

Ein Leben zwischen Hier und Dort

Als von außen kommender Begleiter stellt sich einem die Frage, wie solch ein Leben zwischen Hier und Dort, zwischen La Holandita und Mulatos, zwischen erzwungener, gewaltsamer Vertreibung und Widerstand dagegen durch Nicht-Aufgeben und Versuche der Rückkehr, wohl von den Betroffenen erlebt und gespürt wird. Hier ein paar Gedanken dazu:

  • Zwischen la Holandita, dem jetzigen Hauptort der Friedensgemeinde, und Mulatos liegt ein jeweils 5-6stündiger Ritt, teils steil bergauf bzw. bergab, auf Wegen, die durch Regen und Schlamm für die Reittiere (und die Menschen) äusserst beschwerlich sind. Zwar ist eine Grund-Infrastruktur (Wohnen, Strom, Wasser, Internet) in Mulatos vorhanden, alles andere was sonst von einer größeren Gruppe zum Leben gebraucht wird, v.a. Verpflegung, notwendige Werkzeuge für Reparaturen etc. muss jeweils neu wieder unter den geschilderten Umständen hinaufgebracht werden.
  • Ein “normales” Leben auf dem Bauernhof hängt stark davon ab, dass die Tiere regelmäßig versorgt und gepflegt werden können, und die angebauten Produkte wie Reis, Kakao, Mais etc. zur richtigen Zeit gesät, angepflanzt und geerntet werden. Derzeit sind 13 Mutterkühe mit ihren Kälbern auf der Weide, die täglich gemolken werden sollten, was jedoch nur möglich ist, wenn die Menschen, die das tun, kontinuierlich da sind. Die Hühner legen ihre Eier trotzdem, diese können aber nicht verwendet werden, Krankheiten bei den Pferden, Rindern und Schweinen oder Verletzungen durch Unfälle können nur mit Verzögerung beim nächsten Besuch behandelt werden – und manchmal ist das schon zu spät. Der aus der Milch hergestellte Käse muss am Ende des Aufenthalts wieder auf Maultieren und Pferden zu Tal geschafft werden.
  • Über und hinter all dem steht die Unsicherheit und die Angst vor dem immer stärker werdenden Einfluss der paramilitärischen Gruppen im Gebiet, der sich schon länger nicht mehr nur auf gewaltsame Aktionen und Drohungen beschränkt, sondern sich in politischen und ökonomischen Strukturen verfestigt und so die Kontrolle über einen immer grösseren Teil der Bevölkerung ausübt. Das führt zu einer Atmosphäre von Misstrauen, Neid und Sprachlosigkeit gegenüber der Friedensgemeinde, die ein Mitglied so beschreibt: „Früher hatten wir normale nachbarschaftliche Beziehungen zu den meisten Bewohner:innen, heute fühlt es sich so an, als lebten wir wie in einem besetzten Land, das uns Stück für Stück entzogen werden soll.”

Trotz dieser widrigen Umstände ist Aufgeben und Rückzug keine Option für die Friedensgemeinde-Mitglieder. Zu tief sind sie mit ihrer Lebensweise und ihrem Land verbunden, zu oft haben sie durch ihren beharrlichen gewaltfreien Widerstand gegen die Vertreibung und durch ihren Zusammenhalt als Comunidad schon erfahren, dass es immer wieder einen Weg nach vorne gibt. Ihnen Schutz zu bieten auf ihrem Weg zur Rückkehr, die sie hoffentlich eines Tages ihr Leben wieder „hier“ leben lässt, ist der Beitrag, den die Begleitung durch die Versöhnungsbund-Friedenspräsenz leisten kann.

Pete Hämmerle ist im Mai/Juni als freiwilliger Begleiter an der Seite von Michaela Söllinger ,der Friedensfachkraft des österr. Versöhnungsbundes, in Kolumbien tätig