Handlungsräume verteidigen: Lessons Learnt

Im Rahmen der Sommerakademie auf Burg Schlaining stand am 9. Juli das Thema “Handlungsräume verteidigen: Lessons Learnt” in einer Paneldiskussion und einem vertiefenden Workshop am Programm. Drei internationale Expert*innen aus verschiedenen Kontexten – in denen allen auch der Versöhnungsbund tätig ist – teilten ihre Erfahrungen und ihr Wissen mit den Teilnehmer*innen der Sommerakademie.

Die ehemalige Generalsekräterin von Amnesty International Deutschland und Menschenrechtsaktivistin Selmin Çalışkan setztesich mit der Situation des Rechtsstaates und v.a. der Frauenrechte in der Türkei auseinander: “Die Frauen sind im Moment die stärksten Akteurinnen, sie werden aber nicht so ernst genommen, weil sie Frauen sind”. Mit Beispielen zeigte die Aktivistin, wie die Gesellschaft für ihre Rechte auf friedlichem und gewaltlosem Weg kämpfen kann, z.B. mit Friedensmärschen von Frauen in der Südosttürkei oder „Akademien im Exil“ für von Verhaftung bedrohte Aktivist*innen in Deutschland.

Feras Kherallah, Mitarbeiter der Berghof Stiftung im Libanon für interkulturelle und interreligiöse Projekte, wies darauf hin, dass durch die Einengung von Handlungsräumen auch die Distanzen und die Gleichgültigkeit von Menschen wachsen. Nach sieben Jahren Krieg in Syrien sind Flüchtlingskinder, die in Beirut auf die Straßen leben, ein gewöhnlicher Anblick geworden, die Menschen gehen gleichgültig vorbei und entfernen sich somit immer mehr von humanitären Empfindungen und Grundnormen. Weiters schilderte er die Situation in Jordanien, die von außen sorglos und glücklich aussieht, aber innerlich Gewalt in sich trägt, sodass die „Schere im Kopf“ (Selbstzensur)bei vielen Bürger*innen und NGOs selbst zur Unterdrückung zivilen Engagements durch die jordanische Regierung beiträgt.

Die Antropologin und Friedensforscherin Vera Grabe Loewenherz vom Observatorio para la Paz in Bogotá/Kolumbien, einem 1996 gegründeten Institut für Friedenspädagogik, meinte, dass Frieden mehr als Prozess verstanden werden muss, der die gesamte Bevölkerung einschließt. Ihre persönliche Geschichte führte sie von einem „Kampf für Frieden mit der Waffe“ (als Mitglied der M19-Guerillabewegung) zu ihrer Biographie im Frieden: „Beim bewaffneten Kampf heiligt der Zweck die Mittel, beim gewaltfreien Engagement werden auch die Mittel geheiligt im Einklang mit dem Zweck“. Es gehe darum, „die Stiefel, die (militärischen) Abzeichen und die Uniform aus der Seele zu holen“ und dafür zu arbeiten, den möglichen, wenn auch unvollkommenen Frieden durch den Aufbau einer Friedenskultur im Alltag aller Menschen selbst voranzubringen. Der politische Friedensprozess zwischen Regierung und FARC sei zwar besser als keiner, dennoch sei die Situation für ihre Arbeit derzeit ausgesprochen schwierig, weil Gewalt zunimmt und Friedenskultur, -pädagogik und Versöhnung nicht in ihrer Tiefe ernst genommen würden. Als Appell an uns alle sagte sie: „Wir müssen darüber nachdenken, wie man die Wand umstößt und sich den Rücken freihält.“