Kolumbien: Indigene zwischen Flucht und Rückkehr

Die Mittagshitze brennt auf unserer Haut, als wir in einem langen, schmalen Boot, in dem ungefähr 15 Leute Platz haben, in Richtung Santa Rosa de Guayacán aufbrechen.

Im indigenen Reservat, das am Fluss Calima nahe der kolumbianischen Hafenstadt am Pazifik, Buenaventura, liegt, erwarten uns Frauen und Männer im großen Gemeinschaftshaus.

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Santa Rosa in Kolumbien

Man bereitet sich auf den 15. Geburtstag zweier indigener Frauen vor, ein sehr wichtiges Ereignis. Für die zwei 15- jährigen werden Kopfschmuck und Kleidung aus Glasperlen und Goldmünzen angefertigt.

Während viele Frauen mit Glasperlenknüpfen beschäftigt sind, präsentieren uns andere Kunsthandwerk aus Palmfasern und wir beginnen die Bewohner*innen von Santa Rosa de Guayacán zu fragen, ob und wie sie den Frieden in ihrem Lebensraum spüren. 

Die oberste Autorität von Santa Rosa de Guayacán fasste zusammen:
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Dieses Gefühl baut auf Erfahrung auf. Kurz vor unserem Besuch war ein öffentliches Boot auf der Route, über die auch wir nach Santa Rosa de Guayacán kamen, von bewaffneten, vermummten Männern aufgehalten worden. Eine afrokolumbianische Frau wurde gezwungen, ohne ihr mitreisendes 2-jähriges Kind das Boot zu verlassen. Am nächsten Tag wurde die Frau flussaufwärts tot aufgefunden. 

In dem Boot reisten auch mehrere Indigene des Reservats Santa Rosa de Guayacán. Vor allem nach der letzten Flucht und Rückkehr der Gemeinde, nachdem ein Gemeindemitglied 2017 von bewaffneten Gruppen gefoltert wurde, hat die Gemeinschaft Angst vor neuen Repressalien. Trotzdem versuchen sie, in ihrem Lebensraum (Territorium) zu bleiben. 

Wir ziehen weiter flussabwärts bis wir den Fluss San Juan erreichen, der seit vielen Jahren als Korridor für illegale Güter, vor allem Drogen, berühmt ist.

In der Bezirkshauptstadt Docordó, die von einem afrokolumbianischen Gemeinschaftsrat (Consejo Comunitario) verwaltet wird, besuchen wir eines der Häuser, in denen über 400 Indigene eines nahegelegenen Flussbettes vor mittlerweile mehr als drei Monaten Zuflucht suchten. 

Ein Gemeindemitglied erzählt:
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Die Gemeinschaft wartet noch immer darauf, dass staatliche Behörden mit ihnen ihre Dörfer besuchen, um festzustellen, ob es sicher genug ist, zurückzukehren. Viele denken darüber nach, ohne Sicherheitsgarantien zurückzukehren, da ihnen die Situation in den Notunterkünften immer unerträglicher wird. 

Bevor es dunkel wird, verlassen wir die Notunterkunft der Indigenen von Pichimá Quebrada und kehren in die Hafenstadt von Buenaventura zurück. Bevor uns an der neuen Hafenanlage die Meeresbrise erfrischt und wir mit einem frischgepressten, eisgekühlten Getränk den Tag abschließen, fahren wir bei einem Sportstadion vorbei, das gleichzeitig als Notunterkunft für weitere Indigene des San Juan-Flussbeckens, die vor bewaffneten Gruppen fliehen mussten, dient. 

Michaela Söllinger