Ja, da ist jemand! Da sind Österreicher und Österreicherinnen, die gerne Zeit und Engagement aufbringen, um Flüchtlinge zu unterstützen, zu begleiten auf dem schwierigen Weg in ihre neue Zukunft in einer neuen Gesellschaft. Wie wichtig das ist! Vieles wissen sie selber über die öffentlichen Stellen wie Diakonie und Caritas, Magistrat usw., aber hier geht es darum eine Vertrauensperson zu finden, Ansprechpartner/in – nicht ganz allein zu sein in einem fremden Land.
Ich gehöre zu diesen Österreicherinnen. Ich bin gern in Kontakt mit den Flüchtlingen. Ich habe keine Berührungsängste, sondern im Gegenteil großes Interesse an Menschen und anderen Ländern. Hier handelt es sich noch dazu weitgehend um Länder, die ich nicht kenne, wo ich bei manchen nicht einmal genau wusste, wo sie sich befinden. – Und dann: Ich sehe, dass Hilfe gebraucht wird und ich kann sie leisten.
Also los!
Was all diese Menschen brauchen, sind natürlich Deutschkenntnisse. Die zu vermitteln war mein Beruf und ich unterrichte gerne! – Was brauchen sie noch: Neben praktischen Dingen für den Alltag (wenn sie dann Asyl bekommen haben) und Geld vor allem für Anwaltskosten ( denn wo sollen sie 800, 1000 Euro hernehmen von 48 Euro pro Woche) – brauchen sie vor allem eine entspannte Begegnung auf Augenhöhe: Zuspruch, Anerkennung, Interesse, Mitfühlen, schön, dass du da bist! Ich höre ihre Geschichte. Ich bin für sie die Einheimische, die ihnen etwas über das neue Land vermittelt – wie tickt man hier! – die Deutschlehrerin, die für das Interview ihre Integrationsbereitschaft bestätigt, manchmal auch die Mutter oder einmal auch die Schwester. Die eigene Familie ist ja weit! Nicht von geringer Bedeutung ist auch die Unterstützung bei offiziellen Kontakten – bei Ämtern, mit Vermieter*innen, mit Anwält*innen z.B. Denn einerseits bekommt der Vermieter mehr Vertrauen, wenn ein/e Österreicher/in dahintersteht, und andererseits ist er vielleicht mit einer Übervorteilung vorsichtiger, einer Versuchung, die bei Fremden, die Preise und Gesetze hier nicht kennen, ja leider gegeben ist. (Also: Ich formuliere ein E-Mail und schreibe im Nachsatz: Verfasst mit der Unterstützung von Mag. M.S.)
Im Februar 2015 begann ich im Auftrag der Caritas im Flüchtlingsheim Michael Pacher Str. mit ehrenamtlichem Deutschunterricht für die Flüchtlinge im Haus. Unterrichtsmaterial musste ich selbst zusammenstellen. Das Haus wurde dann im Sommer 2016 aufgelöst und die Leute in die ehemalige Volkshochschule in der Faberstraße verlegt, nun ein privat geführtes Haus. (Die Leitung weit weniger effizient als die Caritas, nur auf Gewinn aus!) Den Deutschunterricht organisierte nun die Volkshochschule, das bedeutete für mich, ich wurde entlohnt und die Kursteilnehmer*innen mit Büchern versorgt. Das war angenehm. Sie sollten ja auf die A1 und dann A2 Prüfung vorbereitet werden.
Neben dem Unterrichten engagierte ich mich aber auch privat für einige Flüchtlinge, zu denen ich mehr Zugang hatte: das waren ein Elektriker, Palästinenser, aus Syrien, ein studierter Psychologe aus Äthiopien, ein Kameramann aus dem Irak. Die drei nahm ich oft mit nach Mattsee in das Seniorenheim zum Kartenspielen und zu Festen, dem Faschingsfest etwa. Ich unterstützte sie, wenn sie Asyl bekamen und eine Wohnung gefunden hatten mit Sachen von mir: Geschirr, Bettwäsche; Teppiche und kleine Möbel von Freunden usw. oder verhalf zu Elektroreparaturen im Freundeskreis.
Einige sind inzwischen weg. Der Äthiopier nach Wien, der Kameramann flüchtete auf Grund eines negativen Bescheids nach Frankreich und dann in die Türkei. Ich habe weiterhin telefonischen Kontakt zu ihm. Ab März 2017 konnte ich wegen einer Herzoperation den Deutschkurs nicht mehr abhalten, nützte aber, als ich halbwegs wieder auf den Beinen war, meine Kontakte, um Flüchtlinge weiter zu unterstützen. Ab September unterrichtete ich die Frau eines Usbeken, der in meinem Kurs war. Er hatte inzwischen Asyl bekommen und seine Frau und zwei Söhne waren im Rahmen des Familiennachzugs nach Salzburg gekommen.
Zum Deutschunterricht kommt sie weiterhin regelmäßig zu mir, neben zwei Deutschkursen an der Volkshochschule und an der Uni, was ihr ermöglicht, sich schon gut zu verständigen. Darüber hinaus unterstütze ich auch die ganze Familie: Dem 14 jährigen Sohn, Schüler der NMS Lehen, gab ich Nachhilfe in Englisch, den 16 Jährigen vermittelte ich vor dem Sommersemester an das BORG Nonntal, da das Poli, wo er eingeschult worden war, ihm nicht entsprach. Er bewährte sich in dieser Schule so, dass er jetzt im Herbst in die 6. Klasse aufsteigen konnte. In den Sommerferien hatte er allerdings das 1. Semester Französisch nachzulernen, und dafür verschaffte ich ihm vier Lehrer. Mit deren Hilfe und seinem Fleiß kommt er jetzt auch tatsächlich gut mit.
Außerdem half ich der Familie, wo es gefragt war: als eine Nachbarin übersiedelte und viele Dinge zurückließ, vermittelte ich ihnen diesen Kontakt und übernahm den Transport in ihre Wohnung: Bettwäsche, Geschirr, kleine Möbel etc. Telefonate mit den Lehrer*innen der Kinder, Schriftverkehr mit dem Vermieter ihrer Wohnung, Begleitung zu Ämtern, Überlegungen bezüglich Asyl und Aufenthalt. Die Frau, unglücklich, weil sie so viel zu Hause und nur mit dem Haushalt beschäftigt war, vermittelte ich an das Seniorenheim der Diakonie in Aigen, wo sie nun regelmäßig ehrenamtlich tätig ist und sogar eine Ausbildung zur Altenpflegerin anstrebt. Wir treffen uns auch privat zu Gesellschaftsspielen und sie helfen mir bei der Gartenarbeit.
Und dann ein Afghane, Sticker (das war sein Beruf) und Boxer, der in seiner Gewichtsklasse schon österreichischer Staatsmeister ist. Ein unendlich fröhlicher und positiver Mensch trotz negativem Asylbescheid. Ich unterstütze ihn nun im Kontakt zu seinem Anwalt wegen der Berufung. Privat treffen wir uns immer wieder, er hilft mir im Garten und schleppt mir, was ich nicht tragen kann. Und aus unseren Gesprächen lerne ich viel über Solidarität, Hilfsbereitschaft, Teilen der Flüchtlinge untereinander, eine Großzügigkeit, die mich beschämt.
Da waren und sind noch andere, aus dem Kongo, aus Somalia, ein Syrer, der beim Familiennachzug seine älteste Tochter nicht nachholen konnte, weil sie schon über 18 ist ….
Es schnürt einem das Herz zu, wenn man diese Geschichten erfährt, aber es ist tröstlich, ein bisschen etwas zu tun. Solidarität, mit der wir in Europa so kämpfen, und unseren Reichtum teilen, den wir ja z.T. der Ausbeutung dieser Länder verdanken, das sind unsere Herausforderungen.
Gut, für sie da zu sein! So kann man ein bisserl mehr Licht ins Leben bringen – das Leben dieser Menschen und das eigene. Und ein bisserl mehr Licht, macht die Welt ein wenig heller. Oder???
Marion Schreiber, Dezember 2018, Salzburg
Hinweis
Die Ausstellung „Salzburg ist Vielfalt“ (zum Monat der Vielfalt), die sich ehrenamtlicher Arbeit, wie der von Marion, widmet, kann noch bis 22. Februar in der Wolf-Dietrich-Halle im Schloss Mirabell besichtigt werden.